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    NO RELIGION?!

    Habe ich dir schon erzählt, das Reisen mein teuerstes Hobby ist? Und wenn ich dem nachgehe, mein Herz höher schlägt und meine Augen größer werden? 

    Ich liebe den Geruch entfernter Länder, fühle mich angezogen von ihren Geschmäcken, und sehne mich nach unbekannten Landschaften. Doch vor allem bin ich fürchterlich neugierig auf die Geschichten der Menschen. Nichts macht das Reisen besonderer, großartiger, einzigartiger für mich als die Menschen, denen man begegnet. Die Gespräche mit Fremden. Ich meine es war Yeats der gesagt haben soll: Es gibt keine Fremden, nur Freunde, die man noch nicht getroffenen hat. Besonders beim Reisen spüre ich die Wahrheit in dieser Aussage. 

    Die sonderbarste Beobachtung, die ich auf meinen Reisen machte, war folgende: es ist völlig egal, wo wir geboren wurden, es gibt Verhaltensweisen innerhalb menschlicher Gemeinschaften, die mir in den unterschiedlichsten Ländern begegneten. Sie waren mir alles andere als fremd. Ohne das ich die Sprache der Länder verstand, war es möglich dennoch zu verstehen – durch meine Augen, meine Sinne, mein Gespür füreinander. 

    Religiöse Traditionen und Glaubenssätze konnte ich überall auf der Welt entdecken. (Also überall dort, wo ich schon sein durfte für eine Weile. 😉) Bei meiner letzten Reise erlebte ich Hinduistische Traditionen, wurde in einem Tempel gesegnet und praktizierte Buddhistische Techniken. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst wie sehr Religion Teil unseres gesellschaftlichen Miteinanders ist und wie so unsere Werte geprägt werden. 

    Die Werte, die Generationen über Generationen prägten, sind die Ausgangspunkte unserer eigenen. Allein deswegen sollten wir uns meines Erachtens mit den Werten zumindest der größten Weltreligionen auseinander setzen, um darüber zu reflektieren, welchen Ursprung unsere eigenen Werte haben könnten – und zu hinterfragen, inwieweit jene Werte, die wir für uns selbst als wichtig erachten, tatsächlich auch unsere eigenen sind. 

    Auch wenn ich neuerdings sehr geneigt bin zu schreien: „Religion, nein danke!!!“, möchte ich – vielleicht dem zum Trotz? – genau hier unsere Reise in die Welt der Ethik fortsetzen. Mit Religion. 

    In meinem ersten Teil dieser Reise erzählte ich dir von Alain de Bottons: Religion für Atheisten. Ein Buch, das uns erlaubt Religionen nicht ausschließlich als eine Frage des persönlichen Glaubens zu betrachten, sondern unabhängig dessen, unabhängig unseres Glaubens uns zu fragen, was wir von Traditionen, Bildern, Ritualen, Feiertagen für unser persönliches Leben lernen können.

    Darüber hinaus sind Religion und Moral eng miteinander verbundenen. Wusstest du, dass z.B. bei Aristoteles die Wörter Gott und göttlich zwei Mal so häufig vor kommen wie Glück und glücklich? Nicht nur spielten die Götter bei Aristoteles eine wesentliche Rolle, sondern auch bei den Philosophen Homer, Plato & Co. Texte dieser Autoren werden heute noch im Ethikunterricht gelehrt. Auch wurde diese beiden Disziplinen (Ethik & Religion) von den Epikureern und Stoiker miteinander verbunden sowie mit unterschiedlichen Inhalten bestückt. In der hebräischen Bibel und dem neuen Testament wird Religion und Moral verknüpft durch Gottes Befehl. Auch Jesus sagt uns, was wir tuen sollen – durch die zehn Gebote. Während in der griechisches Philosophie Gott uns wie ein Magnet anzieht, ist Gottes Befehl zentral in jüdischen und christlichen Schriftstücken. Auch im Mittelalter noch waren Religion und Ethik eng miteinander verbunden durch beispielsweise Persönlichkeiten wie Thomas von Aquin und Augustine. Selbst bei modernen Philosophen spielt das Göttliche weiterhin eine Rolle. 

    Diese Beispiele zeigen wie eng Religion und Ethik miteinander verbunden sind. Dennoch ist Ethik nicht mit Religion gleichzusetzen. 

    Durch die Welt zu reisen bedeutet für mich eben auch von den unterschiedlichsten Traditionen, Ritualen, Festen, Bildern, Menschen, Geschichten, Orten zu lernen und sich zu fragen, was davon das eigene Leben sogar Zuhause bereichern kann? Vieles von dem, was ich weit entfernt meines Zuhauses habe lernen und erleben dürfen, stand oftmals in Beziehung zu vorherrschenden Religionen, vieles von meinem Leben Zuhause ist von Religion geprägt – unsere Feste, unsere Traditionen, Weihnachten, Ostern, Beerdigungen und die Sache mit der Nächstenliebe. 

    So spielte die katholische Kirche in meinem Leben immer wieder eine Rolle: sei es in dem Kindergarten, den ich besuchte, in denen christliche Werte an uns weitergegeben wurden, das Gymnasium, an dem zu Tagesbeginn gebetet wurde, meine Zeit als Messdienerin, meinen Briefaustausch mit dem Bischof, und der Besuch einer irischen Mädchenschule. Der Unterschied: in der katholischen Schule in Irland gingen die Röcke der Schuluniform bis zu den Knöcheln und in Deutschland war die Kleidung oftmals Fokus und Inhalt von Lästereien. 

    Ich kann mich nicht von christlichen Werten komplett frei machen, sie spielten in der Entwicklung meiner Persönlichkeit eine wesentliche Rolle. Doch welche der Werte die mir als Heranwachsende von außen mitgeben wurden sind wirklich meine? 

    Das erste Mal als ich in Berührung mit dem Buddhismus kam war in „Sieben Jahre in Tibet“. Ich erinnere mich wie sehr mich die Geschichte um den jungen Dalai Lama bewegte, die Szenerie mich anzog und ich mich in Brad Pitt verliebte. 

    Es verwundert mich daher nicht, dass es der buddhistische Religionsführer ist, der als erster von ihnen Ethik über Religion stellt. Ist das vielleicht das Geheimnis zu Frieden? 

    Der Tag, an dem ich der Buddhismus mich berührte

    In Mitten des Himalayas, hoch oben auf 3867 Metern Höhe, betrat ich Dawa Choling Gompa in Tengboche, Nepal. Das Tibetisch-Buddhistische Kloster wurde 1916 erbaut, wobei Schriftstücke von einem weitaus älteren Kloster berichten. Das heutige Gebäude ist ein Wiederaufbau. 1934 wurde das Kloster durch ein Erdbeben zerstört, 1989 brannte es bis auf die Grundmauern nieder, und 2015 stützte es erneut durch das große Erdbeben ein. Unser Guide (@nepalgram) führte uns über Namche Bazar auf einer mehrtägigen Trekking-Tour nach Tengboche. Einen Ort mit Blick auf die höchsten und schönsten Gipfel der Welt. Mir stockte der Atem als ich in der Gebetshalle mit der sich über zwei Ebenen erstreckenden Buddha-Figur Platz nahm. Die Wände waren geschmückt mit bunten Verzierungen, Gebetsfahnen schmückten den Raum. Die buddhistischen Mönche versammelten sich in der Halle. Es war kalt. Meine Füße mit den klumpigen Wanderschuhen fühlten sich schwer an. Ich hatte Gänsehaut als ich während der Gebete mich selbst dort sitzen sah. Es bewegte mich. Ich fragte mich plötzlich, was das Leben ausmache. Ein Mönch antwortete mir: „Es verläuft im Kreis.“ 

    Ziel der buddhistisches Praxis ist es Frieden zu finden von unserem Leiden, indem wir die Welt betrachten wie sie ist und die Projektionen verbannen, die unsere Gedanken und Emotionen kreieren. Und manchmal braucht es dafür einfach nur Stille. In der Stille können wir uns selbst hören. 

    Ich glaube, dass wir viel vom Buddhismus lernen können. Wenn wir uns von unseren Gedanken und Gefühlen distanzieren, die Welt so ein wenig mehr betrachten wie sie ist und nicht das, was wir auf sie projizieren, wir zu einem Ort gelangen voller Mitgefühl und Miteinander. Oder mit den Worten des Dalai Lamas ausgedrückt: „Ethik, nicht Religion, ist in der menschlichen Natur verankert. (…) Das Mitfühlen ist die Basis des menschlichen Zusammenlebens. Es ist meine Überzeugung, dass die menschliche Entwicklung auf Kooperation und nicht auf Wettbewerb beruht.“

    Kommen wir zurück in unsere Breitengrade: Auch der Rechtsstaat Deutschland und das Christentum sind eng miteinander verbunden. Nicht nur das: Gott ist eng verbunden mit der deutschen Gesetzgebung. Und so können wir in unserem Alltag  – unabhängig davon was wir als Individuum glauben (oder nicht) – in Deutschland viel Christliches entdecken. 

    Die christliche Werte sind in unserem Grundgesetzt verankert. Dort heißt es in der Präambel: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Religion spielt im Grundgesetz eine Rolle bevor Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung eine Rolle spielen. Die Verantwortung vor Gott steht vor der Verantwortung gegenüber den Menschen, die in diesem Land leben. Wir kommen folglich an der Religion nicht vorbei. 

    Begeben wir uns auf die Suche nach unseren eigenen Werten, müssen wir uns auch mit der Frage auseinander setzen: Was sind wirklich MEINE Werte? Und so unreligiös wir auch sein mögen, in der Reflexion unserer Werte im Verhältnis zu denen, die uns vorgelebt wurden, stoßen wir früher oder später auf Werte, die religiösen Ursprungs sind. 

    Hier eine kleine Übersicht über die zentralen Werte der fünf Weltreligionen & deren Gemeinsamkeiten:

    Der Dalai Lama, das Oberhaupt der Buddhisten, beschreibt in dem Buch „Appell des Dalai Lama für eine säkulare Ethik und Frieden“, dass Religionen oftmals intolerant seien. Um politische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, werden oftmals Religionen missbraucht oder instrumentalisiert. Daher bedarf es einer säkularen Ethik – eben einer Ethik fern ab der Religionen. 

    So können wir zwar ohne Religion auskommen, aber nicht ohne Ethik. Dementsprechend geht für den Dalai Lama Ethik tiefer und ist zeitgleich natürlicher als Religion. Das wesentliche ist unsere menschliche, elementare Spiritualität, die als in den Menschen angelegte Neigung zu Liebe, Güte und Zuneigung darstellt. 

    Auch gibt er der Spiritualität eine Bedeutung, die sich von Religionen frei machen kann. Für den Dalai Lama fangen wir an spirituell zu leben, „(w)enn wir uns entschließen, die inneren Werte, die wir alle bei anderen schätzen, zu kultivieren“ (ebd., S. 12).

    Für den Dalai Lama ist Ethik nicht „die Summe von Geboten und Verboten, die es zu befolgen gilt, sondern für ein natürliches, inneres Angebot, das uns zu Glück und Zufriedenheit mitunter selbst und mit anderen führen kann“ (Ebd., S. 16). Der Grundgedanke aller Religionen sei die Liebe. Die unterschiedlichen philosophischen Ansätze unterscheiden die Religionen und stellen eigentlich nur unterschiedlichen Ansätze zur Förderung von Liebe dar. Somit sei Ethik „die Wissenschaft vom Glück“ (ebd. S. 24). 

    Den Blick des Dalai Lamas auf die Beziehung zwischen Ethik und Religion empfinde ich als eine friedliche. Wir müssen uns auf dieser Reise nach den eigenen Werten auch mit Religion befassen – ob wir wollen oder nicht. Aber Ethik ist mehr, sie kann mehr, sie kann der Schlüssel zu einer friedlicheren Welt sein. Vor allem beruhe, so der Dalai Lama, die menschliche Entwicklung auf Kooperation. Die entscheidende Frage sei dabei: Wie können wir einander dienen? (Ebd., S. 9)

    Und vielleicht ist dies genau die Frage, die wir einander stellen sollten – um in einen Dialog zu treten über unsere Werte und deren Ursprungs. Daher frage ich dich heute: Wie können wir einander dienen? Wie kann ich dir dienen?

    Schreibe deine Gedanken in die Kommentare oder kontaktiere mich gerne per Mail, per LinkedIn oder Instagram @austethikberatung


    Quellenangaben:
    Hare, John, „Religion and Morality“, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2019 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = <https://plato.stanford.edu/archives/fall2019/entries/religion-morality/>.

    Dalai Lama. Appell des Dalai Lamas an die Welt: Ethik ist wichtiger als Religion. (2015) Wals bei Salzburg: Benevento Publishing.

    http://pix.kirche-mv.de/fileadmin/elkm/lankow/Gemeindebriefe/Archiv/Psalmen_2014/Welt_Religion_2009/Werte_und_Normen_der_Religionen.pdf

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    Philosophie ist für jede:n da!

    Kapitel Eins Oder Wie de Botton unser Leben verändern kann

    Alain de Botton wurde 1969 geboren und ist ein britisch-schweizerischer Autor von Sachliteratur über Themen wie Liebe und Reisen, Architektur und Philosophie. Er ist Gründer der School of Life und Living Architecture. The School of Life, die auch in Berlin ansässig ist, hat sich auf die Fahne geschrieben sich einer neuen Vision von Bildung zu verschreiben. Zurzeit lebt de Botton in London.

    Um was geht es in seinen Büchern? De Botton befasst dich mit unterschiedlichen Themen auf philosophische Weise – verständlich, alltäglich, lebenspraktisch. In anderen Worten: Er beschreibt eine Philosophie des Alltags – für jede und jeden.

    Auf seiner Internetpräsenz steht über sein Werk geschrieben: Auch wenn de Botton manchmal als Populist beschrieben wird, so sind seine Bücher im Herzen Versuche eine ursprüngliche Idee über beispielsweise Freundschaft, Kunst, Neid, Verlangen und Unzulänglichkeit mit der Hilfe der Gedanken anderer Denker – eine Herangehensweise die Autoren wie Seneca und Montaigne vertraut waren und die verschwand allein mit der wachsenden Professionalität der Gelehrsamkeit im 19ten Jahrhundert (meine Übersetzung). Für mehr Informationen zu Alain de Botton und seinem Werk, besuche https://www.alaindebotton.com .

    Mein erster Berührungspunkt mit Philosophie war Alain de Buttons Trost der Philosophie. Dieses Buch zog mich in seinen Bann und gab einer Teenagerin die Möglichkeit komplexe Ideen zu verstehen und für sich auf das eigene Leben zu übertragen. Es eröffnete mir eine Perspektive auf die Welt, die ich heute noch in mir Trage und eng verbunden ist mit meinem ganz eigenen Warum: In alltäglichen Begebenheiten das Philosophische zu sehen und sich auf die Suche nach einer Ethik des Alltags zu begeben. 

    Wieso erzähle ich dir das ganze? Die Sache ist die: Unsere Gedanken und Ideen werden u.a. auch aus dem, was wir lesen konstruiert. Ich habe nicht alle Bücher Bottons gelesen, aber einige. Und viele davon bevor ich auf die Universität ging, um Philosophie zu studieren. Was ich damit sagen möchte? Ganz einfach: Meine Gedanken, Meinungen, Haltungen, Werte wurden auch von den Büchern von Alain de Botton geprägt. Ich glaube, dass er in vielem, was ich noch schreiben werde wieder zu finden ist. Ohne, dass ich bei jedem Gedanke wirklich wissen werde, ob das was ich schreibe, mein ganz eigenes ist oder ursprünglich von jemand anderem stammt. Aber dann wiederum: Wer weiß das schon?

    Eine „philosophy of everyday life“ ist das, was man in Alain de Bottons Büchern findet – zugänglich, lebensnah, realistisch. Es sind keine Theorien, die in Elfenbeintürmen hoch über den Wolken mit Fremdwörtern und Fachbegriffen bestückt wurden. Ganz im Gegenteil.

    Und nun komme ich endlich zu eben genau jenen Ideen de Bottons. 

    Bereit? 

    Lass uns anfangen:

    Hast du deine Welt schonmal aus den Augen eines:r anderen betrachtet? 

    Was würde über dich geschrieben stehen? Wie sieht dein Leben aus, wenn du es durch die Brille eines:r anderen betrachtest? Wie sieht dein Leben durch die Augen deiner:s Lieblingsautors:in aus? Alain de Botton schreibt in seinem Buch „Wie Proust Ihr Leben verändern kann“: „It should not be Illiers Combray that we visit: a genuine homage to Proust would be to look at out world through his eyes, not look at his world through our eyes.“ (Alain de Botton, How Proust Can change your life, S. 214).

    So sind es insbesondere Bücher, die uns für Dinge sensibilisieren können, für die unsere Sinne abgestumpft waren (S. 38). Insbesondere dann, wenn wir die Brille des Autors aufsetzen und in unserer eigenen Welt plötzlich Dinge sehen, die wir vorher übersehen hätten. Hier erzählt dir Alain de Botton selbst von seinem Gedanken https://www.youtube.com/watch?v=-C8cD_uYKK8. Was kannst du plötzlich entdecken? 

    Wenn das Ende happy ist, hört dann die Liebe auf?

    In „Romanticism“ und „The Course of Love“ erzählt de Botton zwei Liebesgeschichten. Eine der beiden umfasst den Verlauf eines ganzen Lebens, das zwei Menschen teilen, die andere hört mit dem Beginn von etwas Neuem auf. Liebe und Romantik können zwei verschiedene Paar Schuhe sein, zwei unterschiedliche Geschichten. 

    In seinem Roman The Course of Love (zu dt. Der Lauf der Liebe) erzählt Alain de Botton von einem Paar und porträtiert dessen Beziehung durch die Jahre hindurch. Dort wo üblicherweise bekannte Liebesgeschichten aufhören, fängt de Botton an zu erzählen. 

    Im Verlauf des Romans stolpert der:die Leser:in über erklärende, reflektierende, philosophische, gesellschaftskritische Ergänzungen des beobachtenden Erzählers selbst. Diese kursiv-gedruckten Einschübe offerieren neben Einblicken in Ideen, Geschichte und Weltanschauungen über Liebe auch auf zwischenmenschliche Emotionen – wie Eifersucht – einen anderen Blickwinkel. 

    „The stupidity of jealously makes it a tempting target for those in a moralising mood. They should spare their breath. However unedifying and plain silly attacks of jealously may be, they cannot be skirted: we should accept that we simply cannot stay sane on hearing that the person we love and rely on has touched the lips, or even so much as the hand, of another party.“ (Alain de Botton, The Course of Love, 2016, page 173). 

    Was geschieht, wenn wir – wie Alain de Botton in dem Zitat schreibt – einfach akzeptieren, dass wir nicht vernünftig bleiben können, wenn die Person, die wir lieben und auf die wir uns verlassen, den Körper einer:s Anderen berührt? 

    Was denkst du? Gehört Eifersucht zu unserem menschlichen Sein? Wie ist diese Emotion dann moralisch zu bewerten?

    Die Geschichte von Kirsten und Rabih durchläuft Höhen und Tiefen. Romantik, Leidenschaft, Versprechen, Kinder, Alltag, Seitensprünge, Streit, Distanz und vieles mehr sind Themen, mit denen sich das Paar im Laufe der Zeit konfrontiert sehen. Es gibt kein Happy-Ending, sondern ein Leben: unverblümt, schmerzhaft, ermutigend, vor allem – gemeinsam. 

    Etwas, was ich mit Alain de Botton verbinde, ist auch die Reflexion über sich selbst und die Ausbildung von Empathie. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Nicht jeder Seitensprung ist moralisch verwerflich, der ein oder andere vielleicht sogar menschlich verständlich. Viele Streite gehen nicht um den Gegenüber, sondern viel mehr um einen selbst. Liebe ist nicht einfach. Liebe ist realistisch. Liebe ist bunt. 

    Kommen wir zu einem der größten Feinde von Liebes-Beziehungen: den Seitensprung und / oder Ehebruch.  Die Welt um uns herum bewertet oftmals durch Wertvorstellungen sowie kulturellen und gesellschaftlichen Einflüsse, dass ein Seitensprung etwas verwerfliches sei, etwas was in Scheidungen und Trennungen enden muss. 

    De Botton eröffnet eine verständnisvollere Sichtwiese: 

    Romantische, erotische und vertraute Beziehungen gibt es, jedoch die Chance sich in einer solchen nach vielen Jahren, dem ein oder anderen Kind, den natürlichen Höhen und Tiefen wiederzufinden ist verdammt gering. Was bedeutet, dass mit jeder Ehe oder ehe-ähnlichen Beziehung, die wir führen, die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch ist, dass uns etwas fehlt. Blöd, oder? De Botton schreibt: „Falls die Ehe als die perfekte Antwort auf all unsere Hoffnungen für Liebe, Sex und Familie naiv und fehlgeleitet ist, ist es genau so fehlgeleitet zu glauben, dass ein Seitensprung ein effektives Gegenmittel zu den Enttäuschungen der Ehe ist“ (meine Übersetzung, S. 123). 

    Vielleicht gibt es doch kein schwarz und weiß? Doch, was ist mit der Ideologie über romantische Beziehungen, die um uns herum produziert wurde – in Serien, Filmen, Magazinen, auf Social Media? Sind wir uns überhaupt den Herausforderungen langjähriger Beziehungen bewusst bevor wir uns dafür entscheiden unser Leben mit einem Menschen zu teilen? So sei das ultimative Falsche mit der Idee des Seitensprungs wie mit der Idee der Ehe der Idealismus. 

    Wenn das Ende also happy ist, hört dann die Liebe auf?

    Ein bisschen so scheint es, wenn man das Buch „Romanticism“ auf die Seite legt. Denn das Ende ist happy und die Suche danach geliebt zu werden war erfolgreich. Doch was ist aus der Liebe zwischen Alice und Eric geworden? Oder war es doch „nur“ Romantik? Ist es der Unterschied zur Liebe, was die Geschichte von Kirsten und Rapih anders verlaufen lässt? Beides gehört dazu. Beides hat seine Zeit. Beides, Liebe und Romantik, können unterschiedliche Geschichten erzählen. 

    In „The Course of Love“ heißt es dazu: Reife bedeutet auch anzuerkennen, dass romantische Liebe nur einen kleinen Teil unseres emotionalen Lebens ausmacht und eher die Suche danach ist geliebt zu werden – und eben nicht zu lieben

    Keine Religion, bitte! 

    So einfach geht es meiner Meinung nach nicht. Religiöse Ethik gehört dazu. Vieles in unserer Gesellschaft ist auf christlichen Normen aufgebaut und vieles davon ist oftmals in unseren eigenen Werten tief verankert. Und natürlich gibt es noch mehr als nur die christliche Ethik, aber dazu kommen wir in den nächsten Wochen.  

    Sich mit religiösen Weltvorstellungen zu beschäftigen, muss nicht notwendigerweise etwas mit dem eigenen Glauben oder Nicht-Glauben zu tun. De Botton beschreibt in seinem Sachbuch „Religion für Atheisten“ was man, auch wenn man an keinen Gott glaubt, aus den Ritualen, Kunstwerken, Ideen der einzelnen Religionen lernen kann. 

    „But if we can now own up to spiritualising our ethical laws, we have no cause to do away with the lawsuit themselves. We continue to need exhortations to be sympathetic and just, even if we do not believe that there is a God who has a hand in wishing to make us so. We no longer have to be brought into line by the threat of hell or the promise of paradise; we merely have to be reminded that it is we ourselves – that is, the most mature and reasonable parts of us (seldom present in the midst of our crises and obsessions) – who want to lead the sort of life which we once imagined supernatural beings demanded of us. An adequate evolution of morality from superstition to reason should mean recognising ourselves as the authors of our own moral commandments.“ (Religion for Atheists, 2012, S. 80)

    In diesem Sinne werde ich in den nächsten Wochen auf eine Reise gehen, andere Religionen kennen lernen und deren Werte mit Blick auf das christliche Menschenbild reflektieren. Welche Werte werde ich vorfinden? Wie werden diese Werte gelebt? 

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    Oftmals prägen religiöse Normen Gesellschaften und ihre Menschen. Daher ist es meiner Meinung nach umso wichtiger sich den religiösen Normen der eigenen Umwelt bewusst zu sein sowie über seinen eigenen Teller Rand hinaus zu schauen und andere religiöse Weltbilder kennen zu lernen. Was können wir voneinander lernen? Gibt es einen Konsens zwischen allen Religionen, einen kleinen gemeinsamen Nenner? Was sind die Herausforderungen mit dem Absolutismus? 

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